Einen wunderschönen guten Tag, ich melde mich aus Macerata, dem Zielort der vorletzten Etappe von Tirreno-Adriatico 2011. Ein zwei Kilometer langer Schlussanstieg zum Piazza della Libertà, der viermal erklommen werden muss, bildet das Ende der sechsten Etappe und die letzte Möglichkeit für die Spezialisten vor dem abschließenden Einzelzeitfahren am morgigen Tag Zeit gutzumachen. Acht Sekunden beträgt der Vorsprung des Mannes in blau, Michele Scarponi, auf seinen ärgsten Verfolger Peter Velits, die besten 16 Fahrer der Gesamtwertung liegen noch innerhalb einer Minute und so ist für Spannung heute und morgen auf jeden Fall gesorgt. Das Profil der Etappe zeigt uns die 182 Kilometer zwischen Ussita und Macerata noch einmal im Detail:
Der erste Anstieg also bereits nach wenigen Kilometern, und hier gab es auch gleich die erste Attacke. Ein gewohntes Bild, Matteo Montaguti aus dem Lotto-Team attackierte, gäbe es hier eine Auszeichnung für den aktivsten Fahrer der Rundfahrt, er würde sie sicherlich gewinnen, bereits auf den Etappen zwei und vier konnte man den Oberitaliener in Aktion erleben. Heute kam er leider nicht sehr weit, denn das Team Sky begann das Tempo nach Montagutis Attacke zu erhöhen und fuhr ihm hinterher, sodass er keine Chance hatte sich abzusetzen und nach wenigen Kilometern wieder vom Feld eingeholt wurde. Kein Wunder, dass Sky sich da so aktiv zeigte, liegt Montaguti doch in der Bergwertung nur fünf Punkte hinter dem Führenden Sky-Fahrer Thomas Rohregger, Montaguti an der Spitze wäre also eine große Gefahr für Rohreggers grünes Bergtrikot gewesen. Einige Kilometer war Ruhe, dann attackierte Marcel Wyss und wieder sprang Montaguti hinterher. Doch diesmal war nicht nur Sky nicht einverstanden, auch Lampre erhöhte das Tempo deutlich, um auch diesen Vorstoß zu verhindern, Wyss mit nur gut eineinhalb Minuten Rückstand in der Gesamtwertung schien ihnen eine zu große Gefahr für Scarponis blaues Trikot zu sein. Auch dieser Ausreißversuch wurde also verhindert, offenbar eingeschüchtert versuchte es dann erstmal keiner mehr. Erst nach 40 Kilometern setzte sich dann Astanas Enrico Gasparotto ab und wie gestern ging der junge Pole Michal Kwiatkowski mit. Der ehemalige italienische Straßenmeister ist für niemanden eine Gefahr, liegt als 68. schon über 17 Minuten zurück, ebenso Geox-Profi Kwiatkowski, und so wurde das Duo dann auch fahren gelassen. Die Bergwertung in Pietra Rossa gewann Gasparotto mit rund drei Minuten Vorsprung, Montaguti trat hier natürlich wieder an, aber Rohregger blieb relativ problemlos an seinem Hinterrad. Vorbei ging der Tiroler dann aber nicht, er begnügte sich mit dem einen Punkt, den er für den vierten Platz bekam. Damit blieb der Kampf ums Bergtrikot vor der letzten Wertung im Zielort Macerata zumindest theoretisch noch offen, da Montaguti aber nur einen Punkt aufholen konnte, müsste er diese letzte Wertung schon gewinnen und Rohregger leer ausgehen, um das grüne Trikot, was er ja gestern noch trug, zurückzuerobern. Einen Zwischensprint gab's auch für die beiden Ausreißer, 77 Kilometer vor dem Ziel in Filottrano, Gasparotto überließ seinem Begleiter die fünf Punkte und drei Sekunden. Von Cavendish und anderen Sprintern war im Feld schon nichts mehr zu sehen, stattdessen überraschte das Team RadioShack den Rest, indem Geraint Thomas mit Marco Marcato am Hinterrad antrat, keiner der Favoriten folgte ihnen und Marcato sicherte sich eine Bonussekunde, womit er jetzt zeitgleich mit dem Gesamtwertungs-Vierten Damiano Cunego ist. Den letzten Punkt strich Matteo Pelucchi von Geox ein, der sich da wenige Meter vor der Wertung noch an Thomas vorbeischob. Das war also die Zusammenfassung des bisherigen Renngeschehens, jetzt ist es gleich so weit, dass die Fahrer den Zielort Macerata erreichen und sich auf die Schlussrunden begeben, also sind wir jetzt wieder live dabei in der entscheidenden Phase dieser Etappe.
Bisher enttäuschte Gasparotto auf der ganzen Linie, heute prägt er das Rennen an der Spitze.
[52 km] Enrico Gasparotto und Michal Kwiatkowski haben Santa Maria del Monte hinter sich gelassen, werden aber noch dreimal wiederkommen, und machen sich jetzt auf den Weg Richtung Zielort Macerata. Da können sie sich schonmal mit dem Anstieg zum Piazza della Libertà vertraut machen, dreimal müssen sie ihn hoch, bevor die Etappe dort oben dann in der letzten Runde endet. Ein Anstieg, der Gasparotto mit Sicherheit liegen sollte, die Frage ist nur, ob er sich bis zur letzten Runde vorne halten kann, der Vorsprung beträgt momentan rund fünf Minuten. Bisher lief die Rundfahrt alles andere als gut für den Gesamtzweiten von 2008, heute versucht er zumindest mal etwas, um vielleicht wie im letzten Jahr zumindest einen Etappensieg zu verbuchen.
[50 km] Werfen wir mal einen Blick ins Feld, wer hat da etwas gegen einen Etappensieg Gasparottos oder Kwiatkowskis einzuwenden? Bisher macht eigentlich nur Lampre, also das Team des Gesamtführenden, Tempo, momentan in Person von Matteo Bono.
[47 km] Kwiatkowski und Gasparotto sind in Macerata angekommen und nehmen jetzt den zwei Kilometer langen Schlussanstieg zum ersten Mal in Angriff. Der hat zwei relativ steile Stellen mit 18 Prozent Steigung, im Schnitt sind es aber nur 10 Prozent. In der Theorie ist er also nicht so selektiv wie vorgestern der Schlussanstieg in Chieti, der musste dafür auch nur einmal, der heute gleich viermal, gefahren werden.
[45 km] Gasparotto ist ein paar Sekunden vor Kwiatkowski oben, biegt jetzt rechts ab, statt geradeaus ins Ziel zu fahren und begibt sich zum ersten Mal auf die Schlussrunde. Der Astana-Mann blickt sich um, sieht dass Kwiatkowski nur wenige Meter zurückliegt und entscheidet sich dann auf ihn zu warten. Ein so tempofester Mann an seiner Seite kann auf der dreimal zu befahrenden Schlussrunde noch Gold wert sein. Die ist 15 Kilometer lang und sieht im Profil so aus:
[42 km] Während sich die beiden Spitzenreiter erneut auf dem Weg nach Santa Maria del Monte befinden, bekommen wir mal wieder einen aktualisierten Abstand eingeblendet. Es sind noch immer über fünf Minuten, 5:25 um genau zu sein, geht da heute was in Richtung Etappensieg für die Ausreißer? Zumindest kriegt Lampre den Vorsprung aktuell nicht kleiner, aber vielleicht wollen sie das auch gar nicht, Gasparotto und Kwiatkowski liegen ja über 17 Minuten hinter Scarponi. Hilfe von anderen Teams gibt es bei der Tempoarbeit noch immer nicht.
[38 km] Kwiatkowski und Gasparotto durchfahren erneut Santa Maria del Monte. Weiterhin haben sie mehr als fünf Minuten Vorsprung und noch weniger als 40 Kilometer zu fahren. Das ist heute zumindest mal spannender als die letzten Tage, als die Ausreißer eigentlich immer an der langen Leine gehalten und fast problemlos gestellt wurden. Unterdessen werden zwei Aufgaben gemeldet, Lucas Haedo von Lotto und Stijn Vandenbergh von Katusha sind gleich im Ziel geblieben.
[34 km] Lampre wird nach wie vor bei der Nachführarbeit von den anderen Teams alleine gelassen und so wird der Abstand zu den beiden tempofesten Fahrern da vorne nicht kleiner. Wer die Etappe gewinnen will, sollte langsam damit beginnen seine Helfer nach vorne zu schicken.
[32 km] Das Ausreißerduo ist wieder in Macerata angekommen und nimmt den Schlussanstieg ein zweites Mal in Angriff. Kwiatkowski hat bergauf wieder seine Probleme, Gasparotto muss da wohl die kompletten zwei Kilometer vorne fahren.
[30 km] Kwiatkowski hat den Anschluss wieder verloren, Gasparotto ist jetzt oben und streicht fünf Bergpunkte ein. Damit steht übrigens fest, dass Thomas Rohregger das Bergtrikot gewinnt, wenn er heute und morgen ins Ziel kommt. Kwiatkowski kommt rund 10 Sekunden nach Gasparotto oben an, aber der wartet wieder auf ihn. Im Flachen ist der junge Pole eine Hilfe, das scheint zumindest Gasparotto so zu sehen.
[26 km] Jetzt ist Lampre endlich nicht mehr alleine in der Nachführarbeit. Mit Oscar Pujol unterstützt sie zumindest ein Lotto-Fahrer. Ob der Katalane jetzt da den großen Unterschied macht?
[23 km] Offenbar nicht, denn Lotto entschließt sich jetzt doch mehr Fahrer für die Führungsarbeit abzustellen. Bart de Clercq und Mario Aerts lassen sich an der Spitze des Feldes blicken, aber noch immer liegen Gasparotto und Kwiatkowski fünf Minuten vorne.
[18 km] Etwas kleiner wird der Vorsprung durch Lottos Mitarbeit auf jeden Fall. Aber 4:25 sind bei 18 ausstehenden Kilometern noch immer eine Menge.
[17 km] Zum vorletzten Mal kommen Gasparotto und Kwiatkowski nach Macerata, zum vorletzten Mal müssen sie den Schlussanstieg hinauf. Wieder fährt Gasparotto von vorne und diesmal verliert Kwiatkowski direkt den Anschluss.
[15 km] Gasparotto ist oben, diesmal gibt's statt einer Berg- eine Sprintwertung. Aber die fünf Punkte und drei Sekunden dürften dem Blondschopf egal sein, der hat heute den Etappensieg im Visier. Und diesmal wartet er auch nicht auf Kwiatkowski, sondern zieht sein Ding durch. Ein letztes Mal muss er rechts abbiegen, statt ins Ziel zu fahren, ein letztes Mal geht's noch auf die Schlussrunde. Kwiatkowski kommt oben mit 35 Sekunden Rückstand an, sieht nicht mehr frisch aus, ihn dürften die drei Punkte, die er hier bekommt mehr interessieren als Gasparotto, denn er ist nicht schlecht platziert in der Wertung um das rote Trikot. Jetzt heißt es warten auf die Gruppe der Favoriten, die schließlich mit mehr als dreieinhalb Minuten oben ankommen, und auch wenn jetzt das ganze Lotto-Team Tempo macht, so muss das heute einfach reichen. Wieder gibt's für Platz drei noch eine Sekunde, wieder sichert sie sich Marco Marcato, der damit auf den vierten Platz in der Gesamtwertung klettert.
[10 km] Nach Lotto haben sich jetzt auch Sky mit Masciarelli und Gerrans sowie Androni mit Ginanni und Vicioso in die Tempoarbeit eingeschaltet. Reicht das vielleicht doch noch oder kommt das zu spät?
[8 km] In Santa Maria del Monte liegt Gasparotto eine Minute vor Kwiatkowski und 2:50 vor der Gruppe mit den Favoriten. Zumindest für Kwiatkowski wird das doch nochmal eng, aber reicht's für Gasparotto?
[5 km] 2:20 hat Gasparotto noch übrig, 30 Sekunden also auf den letzten drei Kilometern verloren. Setzt sich das fort, sollte es also eigentlich locker reichen, aber vergessen wir nicht, dass es die letzten beiden Kilometer ja wieder bergauf geht.
[3 km] Enrico Gasparotto kommt zum vierten und letzten Mal zur Ortseinfahrt von Macerata. Er nimmt rund zwei Minuten von seinem Vorsprung mit auf die letzten drei Kilometer. Kwiatkowski ist dagegen nach seinem zweiten Tag in Folge an der Spitze ziemlich eingebrochen und wurde schon von der Gruppe der Favoriten aufgefahren.
[2 km] Gasparotto ist wieder drin im Anstieg zum Piazza della Libertà. Bisher war er dreimal als Erster oben, aber ist er das auch, wenn es drauf ankommt? Die Favoritengruppe erreicht jetzt auch den Anstieg, ganz vorne Damiano Cunego, dahinter schon Scarponi im blauen Trikot. Da sind noch etwa 20, vielleicht 25 Fahrer beisammen, wieder mal vorzeitig zurückgefallen sind Cadel Evans und Danilo di Luca, aber die waren schon gestern und vorgestern schwach und das setzt sich heute nur fort. Cunego fackelt nicht lange und setzt gleich unten eine Attacke, ungewöhnliche Taktik vom Team des Führenden hier mit einem anderen Fahrer zu attackieren, aber auch Cunego liegt ja sehr gut in der Gesamtwertung. Kiryienka setzt sich dahinter an die Spitze der Verfolger, aber Cunego hat eine kleine Lücke gerissen. Hinter Kiryienka sind die Kandidaten für die Gesamtwertung aufgereiht. Scarponi, dann Poels und Marcato, Joaquin Rodriguez und wie sie alle heißen. Kiryienka geht nochmal aus dem Sattel, dann hat er seinen Dienst getan und fällt zurück. Scarponi jetzt ganz vorne, da ist natürlich nicht zu erwarten, dass er seinem Teamkollegen hinterherfährt, aber jetzt attackiert van den Broeck. Seine Helfer sind alle nicht mehr da, eineinhalb Kilometer vor dem Ziel versucht es der Sechste der Gesamtwertung. Joaquin Rodriguez geht hinterher, an dessen Hinterrad Vinokourov, Garzelli, Sella. Die Gruppe zieht sich in die Länge und van den Broeck schließt die Lücke zu Cunego. Etwa 10 Mann hängen da noch dran, darunter auch der Gesamtzweite Peter Velits.
[1 km] Gasparotto ist fast oben. Die Tempoverschärfungen hinten haben seinen Vorsprung nochmal schrumpfen lassen, aber zuletzt wurde noch immer mehr als eine Minute Vorsprung angezeigt. Und jetzt attackiert Scarponi, der Mann in blau hat sich das steilste Stück mit 18 Prozent Steigung ausgesucht. Garzelli reagiert diesmal, Rodriguez, Duarte und van den Broeck hinten dran. Und sonst erstmal keiner. Velits hat Probleme, auch Cunego und Marco Marcato, also der Zweite, Vierte und Fünfte der Gesamtwertung! Inzwischen ist Gasparotto oben und sichert sich seinen Etappensieg, Balsam für die Seele nach einer bisher enttäuschenden Rundfahrt. Jetzt aber schnell wieder der Blick nach hinten, denn da geht's um die Gesamtwertung. Garzelli hat Rodriguez, Duarte und van den Broeck an Scarponi herangeführt und direkt die nächste Attacke. Wieder ist es Jurgen van den Broeck, und diesmal reagiert keiner sofort. Van den Broeck reißt eine kleine Lücke, ist aber schon fast oben, nur noch 150 Meter. Der Belgier zieht jetzt durch, Duarte geht aus dem Sattel, aber er kann die Lücke wohl nicht mehr schließen. Nein, van den Broeck kommt mit 55 Sekunden Rückstand auf Tagessieger Gasparotto ins Ziel, wenige Sekunden später sichert sich Rodriguez im Sprint der Verfolger Platz drei und somit vier Sekunden Bonifikation. Vierter wird Garzelli, Fünfter Duarte, diese drei zeitgleich und Scarponi hat da auf den letzten Metern ein paar Sekunden verloren, verliert er heute das blaue Trikot? Da müssen wir die genauen Zeitabstände abwarten. Jetzt geht's Schlag auf Schlag, da kommt auch schon die nächste Gruppe, das sind natürlich wieder keine großen Abstände heute, Wout Poels führt die Gruppe an und versucht den Rückstand von Marco Marcato im Ziel so gering wie möglich zu halten. Auch Velits ist in dieser Gruppe, dazu Cunego, Vinokourov, Sella, Soler und der gestrige Etappensieger Visconti. Diese Gruppe etwa 12 Sekunden nach van den Broeck im Ziel, das wird jetzt mit der Einblendung bestätigt, Gasparotto gewinnt mit 55 Sekunden vor van den Broeck, 58 vor Rodriguez, Garzelli und Duarte, genau einer Minute vor Scarponi und 1:07 Minuten vor der Velits-Gruppe. Scarponi verteidigt also die Gesamtführung, vorne rückt aber alles vor dem entscheidenden kurzen Zeitfahren in San Benedetto del Tronto morgen noch enger zusammen. Das wird spannend, bis dann!